Einzelne Funde aus der Altsteinzeit und vermehrte Vorkommen von Siedlungsresten der Mittel- und Jungsteinzeit (Bandkeramiker) beweisen die frühe Anlage einer Siedlung links und rechts der Enz auf dem Gebiet der heutigen Stadt Mühlacker.
Um 2000 bis ca. 850 v. Chr.
Nach
Funden aus der Bronzezeit darf man wohl annehmen, dass die Bewohner dieser vorkeltischen
Siedlung bereits hier im angrenzenden Friedhof, dem späteren Friedhof St.
Peter, ihre Toten bestattet haben und in einem Tempel ihrem Götterglauben huldigten.
Um 750 bis ca. 450 v. Chr.
Zahlreiche
hallstattzeitliche Siedlungsreste belegen die starke Besiedlung durch die
einströmenden Kelten, die große Teile des damaligen Mitteleuropas beherrschten,
nach der Verarbeitung von Bronze bereits das Eisen kannten und uns auch die
Kultur der La Tène-Zeit (bis etwa Christi Geburt) brachten. Von den in der
Mühlacker Wohnsiedlung Heidenwäldle liegenden großen, teilweise ausgeraubten
Grabhügeln wurden bis auf einen bereits alle erschlossen und erforscht. Die
großartigen Leistungen der vorrömischen Völker beeinflussten natürlich auch
unsere Sprache. Diese bescherte uns u. a. den Namen der Enz und damit auch wohl
den Namen unseres Dürrmenz (Dorminca, Turmence).
Um 80 bis
ca. 260 n. Chr.
Die
Römer eroberten das bisher keltische Land. Wer sich zur Wehr setzte, verlor
sein Leben. Wer blieb, musste sich unterordnen. Daran hat sich bis heute nichts
geändert.
Die Römer haben aber nicht nur erobert, sondern auch verändert. Sie drückten uns ihren oft noch bis heute gültigen Stempel auf. So übernahmen sie die keltische Kultstätte mit dem Friedhof. Sie verbrannten ihre Toten, die Asche wurde in Holzkästen beigesetzt. Dem Aschekasten wurden Krüge, Tonlämpchen, Trank und Licht beigegeben, dazu oft der Groschen für Fährmann Charon zur Überfahrt in das Jenseits. Die vorgefundene Opferstätte wurde zum römischen Tempel erhoben.
Besonders erwähnt wird der Fund eines Votivsteines, der uns mit seiner Inschrift erzählt, dass unser Bezirk Dürrmenz unter dem Bezirksrat (decurio) Tiberius Julius Severus zum Gau Baden-Baden zählte.
Ein weiterer Fund, ein Viergötterstein aus Buntsandstein, gehörte zu einer 9 Meter hohen, zerstörten Jupitergigantensäule. Beide Steine werden im Lapidarium in Stuttgart aufbewahrt. Die vier Seiten des Viergöttersteines tragen folgende Bildnisse: Juno, mit der Rechten ein Altärchen spendend; Merkur mit Flügelhut, in der Rechten einen Beutel; Herkules mit Löwenhaut, in der Rechten eine Keule; Minerva mit Helm, Lanze und Keule.
Um 262 n.
Chr.
Ein
Weltreich wankte - die Alamannen pochten an die Pforten des Weltreiches, der
Limes fiel. Teils geordnet, teils Hals über Kopf, räumten die Römer das Land.
Die Alamannen hinterließen nur wenig Funde. Das Baumaterial Holz hatte in der
Erde wenig Bestand. Die Mauern der Römer wurden für Jahrhunderte zum Steinbruch
der neuen Siedler. Und doch ist an monumentalen Bauwerken so viel verblieben,
dass uns heute noch der Abglanz großer Zeiten erstaunen lässt.
Die noch heidnischen Alamannen haben ihre Toten nur zum Teil auf dem Friedhof St. Peter beerdigt. Im oberen Teil wurden viele Reihengräber aufgefunden, als Kasten aus Steinplatten ausgebildet und mit einer steinernen Platte verschlossen. Dem männlichen Toten waren Waffen beigegeben, während den weiblichen Verstorbenen Schmuckgegenstände in das Grab gegeben wurden. Die Toten wurden in westöstlicher Richtung bestattet. In fränkischer Zeit hat man die Toten der Alamannen und Merowinger auch im Andreasfriedhof bestattet. Wahrscheinlich wurde nach der Christianisierung eine kleine hölzerne Kapelle mit Kirchhof in Dürrmenz erbaut.
Um 500 n. Chr.
Nach Durchsetzung der Christianisierung erstand an Stelle des zerstörten römischen Tempels die große steinerne Kirche St. Peter. Sie wurde für Jahrhunderte der Mittelpunkt der christlichen Bevölkerung. Sie war auch Gotteshaus und Grablege der Herren von Dürrmenz und gehörte von 1100 - 1572 dem Kloster Sinsheim. Erst 1152 wird St. Andreas als Eigenkirche der Herren von Dürrmenz erwähnt, wobei St. Peter weiterhin die Hauptkirche blieb.
835
machte
Wichart, ein bedeutender Grundbesitzer in Dürrmenz, dem Kloster Lorsch eine
Schenkung großen Ausmaßes:
In Christi Namen, am 20. April des 22. Regierungsjahrs des Königs Ludwig schenke ich, Wichart, an den Hl. Nazarius, Märyrer, dessen Gebeine im Kloster Lorsch ruhen, dem der ehrwürdige Adelung als Abt vorsteht, eine steinerne Kirche im Enzgau in der Siedlung Dürrmenz (villa Dorminca) mit 2 vergoldeten Kapseln, ein Evangelienbuch, ein Meßbuch, ein Priestergewand, 2 Glocken, einen Freihof mit einem steinernen Söller und einem Holzhaus, eine Hofraite mit Gebäuden und am Enzfluß eine Mühle, ein Fischwehr, ein Freigut und 7 leibeigene Güter und was zu der Kirche eigen gehört in Lomersheim, Glattbach und Oeschelbronn und ein Gut in Oetisheim und 52 Leibeigene durch zuverlässiges Gelöbnis. Geschehen im Kloster Lorsch zu oben angegebener Zeit.-
(Übersetzung aus „Unser Dürrmenz-Mühlacker“ von Karl Knöller).
1100/1408
Das
Kloster Lorsch erhielt am 6. Januar 1100 durch den damaligen Bischof Johann von
Speyer aus dem Haus der Kraichgaugrafen das neu gegründete Kloster Sinsheim,
samt seinem Eigenbesitz zu Dürrmenz, darunter die Kirche St. Peter, 1408 noch
ausdrücklich als Mutterkirche bezeichnet. Dies gefiel den Dürrmenzern natürlich
gar nicht, mussten sie doch zur Bestätigung des Übergewichtes an den sechs höchsten
Feiertagen des Jahres in der Peterskirche erscheinen. Dadurch erhielt St. Peter
das Hauptopfer, auch den Hauptanteil des Zehnten. Dank ihrer Bedeutung diente
St. Peter dem Burggeschlecht als Grablege. Die Betreuung der Andreaskirche
oblag dem Kaplan Drutwin von Dürrmenz. Sein berühmter Verwandter Ulrich von
Dürrmenz, wohl dem Sippengeflecht der Kraichgaugrafen
salisch-staufisch-karolingischer Geschlechter entstammend, war von 1159 - 1162
Reichskanzler unter Kaiser Barbarossa, anschließend Bischof von Speyer 1162 -
1163. Er starb am 26. Dezember 1163 anlässlich eines Besuches im benachbarten
Kloster Maulbronn und ist auch dort begraben. Ulrich gilt als der größte Sohn
unserer Stadt, eine über drei Meter hohe Skulptur am Enzufer, aus Muschelkalk
gearbeitet, verkörpert sein vielseitiges Wirken.
Die Urkirche St. Peter hatte weitaus größere Ausmaße als die heutige Friedhofskapelle. Sie war Mittelpunkt eines Kirchspiels, das Großglattbach, Wimsheim, Öschelbronn, Ötisheim und Niefern mit Enzberg einschloss.
1515
Das Alter des jetzigen Turmes ist noch
unbekannt, doch dürften Grabungen im Innen- und Außenbereich des Sockels
weitere Aufschlüsse ergeben. Der 15 m hohe Turm trug, wie die
Oberamtsbeschreibung von 1870 behauptet, an seiner Südwestecke die Jahreszahl
1514. Fest steht jedoch, dass 1515 eine wohl gotische Kapelle die große, alte
und eingestürzte Kirche ablöste. Zudem sind im oberen Turminneren auf der nicht
verputzten Westgiebelseite der Kapelle noch Bauteile eines früheren Gebäudes zu
sehen. Als vierte Turmwand wurde einfach die Westwand der Kapelle verwendet.
Noch vorhandene Rundbalken in 13 Gerüstlöchern harren einer dendrochronologischen
Untersuchung ihres Alters.
1572
Inzwischen
wurde in Württemberg die Reformation eingeführt. Das Stift Sinsheim verkaufte
daher 1572 seine Patronatsrechte über die Peterskirche an Herzog Ludwig von
Württemberg, in der Folge also an das Kloster Maulbronn. Damit wurde die
Andreaskirche zum kirchlichen Mittelpunkt, die Peterskirche hatte ausgedient. -
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) ließ das Gemäuer des Kirchleins wüst und
eingefallen zurück.
1698/1699
So
traf es sich gut, dass mit der Vertreibung der Waldenser 1699 und ihrer
Ansiedlung in Dürrmenz und den umliegenden Orten die Frage des Gotteshauses
gelöst werden konnte. Eine Eingabe Henri Arnauds an Herzog Ludwig von Württemberg
wurde wohlwollend entschieden: Die Waldenser erhielten die Ruine zum Wiederaufbau
und kostenlosen Benützung, d. h. Abhaltung ihrer Gottesdienste und Ausweisung
eines besonderen kostenlosen Begräbnisplatzes.
Diese Regelung war notwendig, weil die Waldenser im Gegensatz zu der damals hier verankerten lutherischen Kirche der reformierten Kirche (Calvinisten) anhingen.
1823
Die
waldensische Kirche wurde 1823 mit einem königlichen Erlass in die Landeskirche
Württembergs eingegliedert. Die französische Hochsprache in Schule und
Gottesdienst wurde verboten. Das Patois, die mediterrane Sprache der Waldenser,
durfte privat noch gesprochen werden, verlor aber bald seine Daseinsberechtigung.
Das Eigenleben der Peterskirche hörte auf. Sie wurde geschlossen und diente
seit 1829 als Steinbruch.
1890 wurden die Peterskirche und der Friedhof von der bürgerlichen Gemeinde übernommen.
1898/1900
In den folgenden Jahren vollzog sich der Umbau bzw. Neubau des Kirchleins. Architekt Dolmetsch war bestrebt, seinen Um- und Neubauten einen historisierenden Baustil (neuromanisch, neugotisch) zu geben. Die Bausubstanz der vergangenen zwei Jahrhunderte bezeichnete er als „billig, unecht und schlecht“. Der wuchtige Turm mit einer Mauerdicke von 1.50 m konnte stehenbleiben, wie auch der größte Teil des 15 m langen Schiffes. Neu erstellt wurden die Außentreppe mit Verdachung, Sakristei und Chor mit Altar, Durchbrüche für Fenster und Türen. Auf die Innenausstattung legte Dolmetsch größten Wert. So setzte er auch die Ausführung der teuren Glasfenster des Glasmalers van Treek/München durch. Malermeister Imhof leistete Vorzügliches mit den Gestalten der Apostel Paulus und Andreas (die allerdings keinen Bezug zur Kirche haben) und der geschmackvollen Innenraummalerei. An beiden Längsseiten wurden Tafeln zum Gedächtnis der Gefallenen des 1. Weltkrieges angebracht. Die dreiachsige Walckerorgel von 1892 hat man 1956 aus Altbeständen „zusammengestupfelt“.
In den Jahren 1985/86 wurde das Kirchlein erneut restauriert, wobei leider der bisherige Plattenboden in Rautenform mit Ausnahme des Chorraumes entfernt und an dessen Stelle ein wenig schöner Estrich mit Sisalbelag eingebaut wurde.
Vor wenigen Jahren hat man auch zwei bisher sehr vernachlässigte Grabmale restauriert und im Kirchenraum an der Chorwand aufgestellt. Eines der Grabmale benutzte man sogar als Türschwelle des südlichen Einganges zur Peterskirche. Die zum Teil noch lesbare Inschrift lautet: „Mich ... urmense ... (Dürrmenz) ... MCCCIII ... (1303) “. Auch das Wappen des Burggeschlechts ist noch sichtbar.
Das andere Grabmal lautet auf den Namen: „Francois Augé“, gestorben 1717 in Lomersheim im Alter von 85 Jahren. Er war Sergeant in französischen Diensten. Nach Vertreibung der Waldenser aus dem Piemont stand er noch 37 Jahre als Offizier in württembergischen Diensten.
Abschließend dürfen wir feststellen:
Das
Gotteshaus und seine Vorgänger waren seit fast 3 Jahrtausenden
- christliches, römisches, frühkeltisches
oder noch älteres Heiligtum,
- römischer Tempel um Christi Geburt,
- Bestattungsort keltischer und frühkeltischer, sowie römischer und alamannisch/fränkischer Bewohner,
- nach der Christianisierung unter fränkischer Herrschaft Bau einer Kirche, später Mutterkirche,
- 835 Wicharts Schenkung dieser steinernen Kirche an das Kloster Lorsch,
- 120 Jahre Predigten in französischer Sprache im waldensischen „Temple“,
- bis in die Gegenwart Bestattung und Ehrung der Opfer vieler Kriege,
- Ruhestätte tausender Vorfahren.
Manfred Metzger Juli 2007
Dieser Text von Manfred Metzger († 2009) findet sich auch auf dem Flyer, der auf dem Friedhof St. Peter ausliegt.