Ein Stück konservierte Baugeschichte

 Dem ältesten Gebäude in Mühlacker-Dürrmenz droht der Abriss.

  • Engagierte Bürger wollen das „Kazenmaierhaus“ vor diesem Schicksal retten.

Setzen sich für den Erhalt des „Kazenmaierhauses“ ein: Manfred Rapp (links) und Frank-Ulrich Seemann. In den Händen halten die beiden eine Zeichnung des rekonstruierten historischen Gebäudes. FOTO: LUTZFrank-Ulrich Seemann begrüßt mit einer auswendig gelernten Strophe aus dem berühmten Claudius-Gedicht Abendlied: „Seht ihr den Mond dort stehn, er ist nur halb zu sehn, und ist doch rund und schön. So sind wohl manche Sachen, die wir getrost belachen, weil unsre Augen sie nicht sehn.“ Wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge passen diese Zeilen laut Seemann auf die Thematik „Kazenmaierhaus“ in Dürrmenz. Und tatsächlich: Von außen wirkt das Anwesen nicht unbedingt so, dass man ohne viel Fantasie erkennen könnte, welch historisch wertvolles Kleinod unter der beigefarbenen Fassade des Gebäudes steckt. Über 500 Jahre ist das „Kazenmaierhaus“ alt, es stammt höchstwahrscheinlich aus dem Jahre 1504 und gilt somit nach derzeitigem Wissensstand als ältestes Gebäude in Dürrmenz.

Platz für Neubebauung

Gedichts bezieht sich nicht auf zufällig vorbeischlendernde Passanten, sondern richtet sich vielmehr an die Mitglieder des Gemeinderats und der Stadtverwaltung. Bei jenen sei die Meinung weit verbreitet, das „Kazenmaierhaus“ (benannt nach der langjährigen Eigentümerfamilie) gehöre abgerissen – und zwar möglichst bald, um Platz zu schaffen für eine Neubebauung.

„Dabei muss man sich vor Augen führen, was in diesem Fall verloren ginge“, so Seemann. „Eine Untersuchung des Gebäudes durch Fachleute der Universität Karlsruhe hat ergeben, dass der Zuschnitt der Räume und der Fenster noch ganz genau so sind, wie es vor 500 Jahren der Fall gewesen ist. Auch der Dachstuhl ist noch originalgetreu. Und die Bausubstanz ist erwiesenermaßen in einem sehr guten Zustand.“

Seemann will sich aus diesem Grund gemeinsam mit einigen weiteren Mitgliedern des Historisch-archäologischen Vereins (HAV) Mühlacker um den Erhalt des Gebäudes bemühen. „Es gibt ja seitens der Uni Karlsruhe bereits Nutzungskonzepte, die umgesetzt werden könnten“, erklärt Seemann. Allein: Bislang fehlen Investoren, die sich das „Kazenmaierhaus“ leisten können und auch wollen.

Ideen und Engagement wären vorhanden, wie auch HAV-Mitglied Manfred Rapp bestätigt. Es fehlt aber wie immer am Geld. So war unter anderem eine Zeit lang angedacht, ob sich nicht Mühlacker Vereine zusammenschließen könnten, um das Haus zu kaufen, herzurichten und dann auch zu nutzen. Doch bei einem aufgerufenen Preis von rund 150 000 Euro, den die Stadt als Eigentümerin für das „Kazenmaierhaus“ bislang verlangt, wurde diese Überlegung schnell zur Utopie. „Es müssten ja noch einmal ungefähr 200 000 Euro investiert werden“, erklärt Seemann. „Das können die Vereine unmöglich stemmen.“

Beim HAV gibt es aus diesem Grund Überlegungen, eine Ausstellung zu organisieren, die einer breiten Öffentlichkeit die Thematik näherbringen soll. „Vielleicht finden wir auf diese Art jemanden, der das Haus erwirbt und es nutzen möchte“, hoffen sowohl Rapp als auch Seemann.

Bürgermeister ist skeptisch

Bürgermeister Winfried Abicht ist jedoch skeptisch, ob es gelingt, jemanden für das „Kazenmaierhaus“ derart zu begeistern, dass er das Gebäude erwirbt und aufwendig saniert. Vielmehr rechnet Abicht mit einem Abriss des bestehenden Hauses und einem anschließenden
Neubau auf dem Grundstück, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum „Kanne-Schuler-Areal“ liegt. Letztgenanntes wird in den kommenden Monaten umgestaltet (PZ berichtete).

„Es gibt bereits Interessenten, die sich eine Nutzung dort vorstellen könnten“, erklärt der Bürgermeister. Namen will Abicht noch keine nennen, betont jedoch, dass die Interessenten geprüft hätten, ob sich ihre Vorstellungen auch mit einer Sanierung des „Kazenmaierhauses“ hätten realisieren lassen. Dies sei jedoch zu teuer gewesen und hätte zu viel Kompromissbereitschaft erfordert.

Keine definitive Absage

Eine definitive Absage an einen womöglich doch noch realisierbaren Erhalt des „Kazenmaierhauses“ will Abicht jedoch nicht erteilen. „Wenn der Verwaltung und dem Gemeinderat ein schlüssiges und auch finanzierbares Konzept vorgelegt wird, kann die Entscheidung natürlich auch zu Gunsten eines Erhalts des Gebäudes ausfallen“, erklärt er. „Denn“, so Abicht, „dass das Haus ein besonderes Denkmal mit einem enormen historischen Wert ist, steht völlig außer Frage.“

Ein mögliches Konzept müsste aber schnell vorgelegt werden, denn Bürgermeister Abicht will eine Entscheidung bis spätestens Ende des Jahres – lieber jedoch früher.

Neue Nutzung

So könnte das sanierte Gebäude aussehen. GRAFIK: UNIVERSITÄT KARLSRUHESo könnte das „Kazenmaierhaus“ nach einer Sanierung genutzt werden: Möglich wäre nach Ansicht der Uni Karlsruhe ein Bürgerzentrum, ein Gasthaus mit Fremdenzimmern, ein Wohnhaus mitsamt Bürofläche, eine Kleinkunstbühne in der angebauten Scheune oder – ganz schlicht – ein Einfamilienhaus nebst Werkstatt. max


(Erschienen am 9. Juni 2012 in der "Pforzheimer Zeitung - Region Mühlacker" · Maximilian Lutz. - www.muehlacker-news.de)

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